Stand: 02.12.2003

Diskussions-Forum Förderklassen für Hochbegabte

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Noten- und Leistungsdruck

                 

 

"Die Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Bayern üben im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die Schulaufsicht über die Gymnasien in Bayern aus. Ihr besonderes Augenmerk richten sie dabei auf vergleichbare Leistungsanforderungen und Bewertungsmaßstäbe sowie auf die kontinuierliche Weiterentwicklung der einzelnen Schulen."
Quelle: Ministerialbeauftragter für die Gymnasien Oberbayern Ost

 
"Aufgrund der Rahmenbedingungen (...) und der Zusammensetzung der Förderklassen (breitgefächertes Leistungsspektrum der Hochbegabten) hängt der Erfolg unserer Fördermaßnahmen auch von der besonderen Einsatzbereitschaft der Kinder ab." (Quelle: Informationsbroschüre des MTG  Stand 26.05.2003)
  Elternkommentar:
Meines Erachtens wird inzwischen die Betonung zu stark auf erhöhte Leistungsanforderungen gelegt, nicht wie am Anfang des Projekts auf einen intensiveren Lernanreiz. Die Beweislast für den Erfolg des Förderunterrichts liegt nunmehr recht einseitig beim Schüler. Praktisch alle Beispiele für besonders gelungene Projekte in den Förderklassen, die in der Öffentlichkeit zitiert werden (Shakespeare, Zinsrechnung, Kryptologie), stammen allerdings aus den Anfangsjahren, in der Lernen genauso stark gewichtet wurde wie Leistungsnachweise.
Im dritten Jahr des Projekts (Schuljahr 2000/2001) hat sich die Betonung deutlich in Richtung auf eine gesteigerte Leistungsanforderung verschoben, ohne dass allerdings die Qualität des Unterrichts entsprechend verbessert worden wäre - die Regel ist weiterhin der klassische fragend-entwickelnde Unterricht, orientiert am Schulbuch.
 Es ist leider weder für Eltern noch für Schüler am Schuljahresanfang transparent, ob und  in welchem Fach erhöhte Leistungsanforderungen gelten werden, da die Gestaltung im Wesentlichen der Lehrkraft überlassen wird. Die Folgen lassen sich recht gut am Beispiel des Faches Mathematik der letztjährigen 9d und am Fach Englisch der vergangenen 8d demonstrieren. Einige wenige Schüler hatten mit den z.T. stark verschärften Leistungsansprüchen keine Probleme. Ein großer Teil der Klasse kam irgendwie durch, oft mit erheblichem zeitlichen Aufwand zuhause. Die Motivation der Schüler wurde damit allerdings kaum verbessert, da sich ausgerechnet Hochbegabte der Motivation über Leistungsdruck meist entziehen. Auch der langfristige Lernerfolg scheint eher fraglich, da unter diesen Umständen nur noch termingerecht für den Leistungsnachweis gelernt wird.
 Dies steht in markantem Kontrast zu den Effekten des intensiveren Lernumfelds, das in den ersten Jahren geboten wurde. Ein weiterer Effekt ist, dass bei einseitiger Erhöhung des Leitungsdrucks  auf eine bestimmte Schülerart selektiert wird. Zum einen  werden seitens der Schule jedes Jahr alle diejenigen "entfernt", die dem Druck nicht standhalten. Es springen aber auch diejenigen ab, die entweder noch ein Leben außerhalb der Schule führen wollen, oder die sich sagen, dass es wenig Sinn macht, das Dreifache leisten zu müssen, um die gleiche Note zu bekommen wie Schüler der  Parallelklasse. Es sind dies wohlgemerkt auch und gerade Schüler, die gerne mehr lernen als das Schulbuch bietet oder die in Wettbewerben durchaus ihr Äußerstes geben!
Für Schüler, die sich über die Note motivieren lassen, ist die Förderklasse allerdings eine Alternative.
 
  Elternkommentar:
Es ist ein Grundproblem unseres Schulsystems, daß Klassifizierung und Aussonderung großes Gewicht haben und Vorrang vor individueller Förderung. Lehrer sind daher gehalten, stets Aufgaben so zu stellen, daß sich das Gruppenergebnis in Form einer sog. Gauß'schen Normalverteilung darstellt. (Hier findet quer durch alle pädagogische Literatur häufig eine Fehlinterpretation des Begriffs "normal" statt, indem er nicht deskriptiv verstanden wird, sondern normativ. Gauß hätte an Stelle von "Normal - Verteilung" auch eine andere Bezeichnung wie "Delta-Verteilung" einführen können.
Daß Schülerleistungen überhaupt normalverteilt seien, ist eine hypothetische Annahme einiger Autoren, die nicht auf Gauß zurückgeht und die in vielen Fällen der pädagogischen Praxis unsinnig ist. Wenn überhaupt, ist die Gauß'sche Theorie auf Schülerzahlen ab etwa 1500 anwendbar; eine Übertragung auf winzige Stichproben von 20-30 Schülern ist keinesfalls theoretisch zu rechtfertigen, da Übereinstimmungen hierbei im Zufallsbereich liegen.)  Von hier kommt das Denken, wenn der Durchschnitt der Noten (übrigens unsinnigerweise das arithmetische Mittel anstelle des Medians!!) stimme, sei alles pädagogisch in Ordnung, also in der "Norm", und man könne anschließend anhand der Notenverteilung beruhigt aussondern.
Wie problematisch das alles ist, wird auch dem Laien klar, wenn er sich ein Beispiel vor Augen führt: Falls dem Lehrer gelingt, was er soll, nämlich jeden Schüler so zu fördern, daß er alles im Lehrplan vorgesehene total kapiert, dann schreibt jeder dieser Schüler Einsen. In Skandinavien wäre das mit einem dicken Lob für den Lehrer verbunden; bei uns hier wird der Lehrer sofort verdächtigt, Aufgaben vorher bekannt zu geben. Zu mindest bekommt er unterstellt, die Aufgaben seien zu leicht gewesen und erhält den Auftrag, die Proben schwerer zu machen, damit endlich die (gewohnten, erforderlichen, systemkonformen, "norm"gerechten) Unterschiede, die angeblich zwischen den Schülern herausgewertet werden müssen, wieder "richtig" bewertet werden. Unser System erzeugt also notwendigermaßen (!!!) immer einen gewissen Prozentsatz von "Versagern", nur damit der Schnitt mit einer "Normal"-Verteilung übereinstimmt!!
   
 
"Die schulischen Leistungen seien im Mittel jedoch etwa um eine Note besser als in den Parallelklassen." (BLK)
Elternkommentar:
Mein Kind kam mit guten Noten in die Förderklasse. Die Noten wurden schlagartig im Schnitt um eine Note schlechter, eine Entwicklung, die sich im Verlauf der Jahre verstärkte. Eine besondere Förderung fand nicht statt. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass es auch am MTG eine Reihe von Lehrern gibt, die der Ansicht sind, dass es hoch Begabten nicht schadet, wenn sie mal durch schlechte Noten gezwungen sind, sich "auf ihren Hosenboden zu setzen".
PS
Elternkommentar:
Im Schuljahr 2001/02 haben in der 9d drei Schüler das Klassenziel nicht erreicht. Diese Schüler durften nicht in die darunter liegende Förderklasse wechseln, sondern müssen das Jahr in einer Regelklasse wiederholen. Obwohl der Schulaufgabenschnitt immer deutlich schlechter war, lag der Schnitt der 9d im Bayerischen Mathematiktest bei 1,7; (der bayernweite Schnitt bei 4,0!).
KC
  Elternkommentar:
Allein in der Zeit von Juli 01 bis Juli 02 haben zwölf Schüler die 8d (01/02) verlassen. Hiervon sind zwei Mädchen gesprungen, die anderen zehn Kinder litten unter dem immensen Notendruck. 
PS
   
 
Elternkommentar:
Mein Sohn hat im Sommer 2002 die Förderklasse verlassen.
Es geht ihm sehr gut in der neuen Schule. Ohne viel zu lernen hat er einen Schnitt von 2,4 im Zwischenzeugnis ereicht. Mathe zum Beispiel: Letztes Jahr schrieb er meistens 4 und 5, jetzt schreibt er nur noch 1. In Französisch hat er sich um 2 Noten verbessert, d.h. aber nicht, dass die Schule zu leicht ist, denn viele Schüler in seiner Klasse haben einen Schnitt von 3-4.
Diese enorme Leistungssteigerung verzeichnet sich dadurch, dass die Lehrer mehr in Kontakt mit den Schülern stehen und gern Fragen beantworten. Es wird nicht das Gefühl vermittelt, dass man dumm ist.

   

 

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